
Die Sonne stand tief über den verschneiten Wipfeln des Imbergs, und ihre Strahlen tauchten die weiße Landschaft in ein goldenes Licht. Jedes Mal, wenn meine Pfoten den glitzernden Schnee berührten, knirschte er sanft, als ob er mir ein Geheimnis zuflüstern wollte. Die Luft war klar und frisch, und ich konnte den Duft von Tannennadeln und Eis in meiner kleinen Nase spüren. Doch das alles verblasste neben dem stärksten Gefühl, das in mir loderte: Liebe.
Merle.
Sie lief ein Stück vor mir, ihre goldenen Locken leuchteten wie ein warmer Sonnenaufgang. Merle, die wunderschöne Golden Retriever-Hündin, die mein Herz schneller schlagen ließ. Ich, Paul, ein Dackel mit kurzen Beinen und langem Rücken, wusste nicht, was Liebe genau bedeutete, bis ich sie traf.
„Komm, Paul!“, rief Daniela, mein Frauchen, fröhlich. Doch ich war abgelenkt, gefangen in meinen Gedanken.
Was war das eigentlich, diese Liebe?
Ich hatte viele Gefühle in meinem kleinen Dackelleben gespürt – Freude, wenn Daniela mir den Bauch kraulte, Neugier, wenn ich ein neues Revier erschnüffelte, und auch Angst, wenn ein Gewitter aufzog. Doch das hier war anders. Es war wie ein wärmendes Feuer inmitten der eisigen Kälte. Ich spürte es in jeder Faser meines Körpers, besonders, wenn Merle in der Nähe war.
Merle drehte sich um und sah mich an. Ihre Augen leuchteten, und ihr Schwanz wedelte freundlich. Ich spürte ein Kribbeln, das von meiner Nase bis zur Schwanzspitze lief.
Ich fragte mich: Warum liebe ich Merle so sehr?
Vielleicht war es ihre Ruhe, ihre Sanftheit. Sie bellte nie hektisch, war immer geduldig. Sie hatte diese Art, still zuzuhören, wenn ich bellend von meinen Abenteuern erzählte. Sie erinnerte mich daran, dass Liebe nichts mit Eile oder Drängen zu tun hat. Sie ist wie der Schnee – leise, sanft, aber dennoch kraftvoll.
Während ich weiter durch den Schnee stapfte, dachte ich darüber nach, was Daniela mir beigebracht hatte: Achtsamkeit. Daniela sprach oft davon, in der Gegenwart zu leben, jeden Moment bewusst zu erleben. Ich verstand das als Hund instinktiv. Wir Hunde leben im Hier und Jetzt. Doch durch Merle lernte ich, dass Achtsamkeit nicht nur bedeutet, aufmerksam zu sein, sondern auch, achtsam zu lieben.
Liebe ist nicht nur das Bellen vor Freude, wenn man jemanden sieht. Sie ist auch das geduldige Warten, wenn der andere sich Zeit nimmt. Sie ist das Teilen von Momenten, ohne etwas zu erwarten. Sie ist das Vertrauen, dass man zusammen durch jede Witterung geht – sei es Sonnenschein oder Sturm.
Ich blieb kurz stehen und sah zu Daniela. Sie strahlte, während die Sonne ihr Gesicht wärmte. Ich liebte sie auf eine ganz andere Weise als Merle, doch es war Liebe. Ihre Hand glitt durch mein Fell, und ich fühlte diese tiefe Verbundenheit, die Worte nicht beschreiben können.
Dann war da Merle. Sie kam auf mich zu, ihre Pfoten wirbelten kleine Schneewolken auf. In diesem Moment begriff ich, dass Liebe nicht nur ein Gefühl ist. Liebe ist eine Entscheidung, jeden Tag aufs Neue.
Ich entschied mich, Merle zu lieben, wie sie war. Mit ihrer Ruhe, ihrer Stärke und ihrer Sanftheit. Und ich entschied mich, Daniela zu lieben, die mir jeden Tag zeigte, wie schön das Leben ist, wenn man es achtsam genießt.
Als Merle neben mir stand, leckte sie mir sanft über die Schnauze. Mein Herz machte einen Satz, und ich wusste, dass ich gerade etwas Großes verstanden hatte.
Liebe ist wie der Schnee – still und doch allgegenwärtig. Sie deckt alles zu, wärmt die Seele und lässt die Welt im Glitzern erstrahlen.
Gemeinsam wanderten wir weiter, Daniela, Merle und ich. Die Sonne ging langsam unter, und ich fühlte mich voller Dankbarkeit. Liebe und Achtsamkeit – das waren die wärmenden Flammen in meinem kleinen Dackelherz, selbst mitten im tiefsten Winter.
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